Powernap im Unternehmen – sinnvoller Energiebooster oder unterschätztes Risiko?
Warum der Mittagsschlaf am Arbeitsplatz nicht immer erholsam ist
Schlafen am Arbeitsplatz – lange galt das als Tabu. Doch mittlerweile entdecken immer mehr Unternehmen die Vorteile kurzer Erholungspausen. „Powernapping“ soll die Konzentration steigern, die Leistungsfähigkeit verbessern und Burnout vorbeugen. Studien wie die der National Sleep Foundation zeigen, dass ein kurzer Schlaf von 10 – 20 Minuten tatsächlich die kognitive Leistung verbessern kann. Aber: Nicht jeder profitiert davon.
Denn was viele übersehen – Powernaps sind kein Allheilmittel. Sie funktionieren nur, wenn biologische Voraussetzungen, individuelle Chronotypen und betriebliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. In vielen Fällen richtet ein falsch geplanter Nap sogar mehr Schaden als Nutzen an.
Powernap ist nicht gleich Powernap – und nicht für jeden geeignet
Ein Powernap soll den Körper in die leichte Schlafphase bringen, ohne in den Tiefschlaf zu rutschen. Spätestens nach 15 – 20 Minuten sollte man wieder wach sein – sonst droht der sogenannte Sleep Inertia-Effekt: Man fühlt sich „wie vom Bus überfahren“, weil der Körper abrupt aus dem Tiefschlaf gerissen wird.
Zudem reagieren Menschen unterschiedlich auf Powernaps. Manche fühlen sich danach erfrischt, andere den ganzen Tag benommen. Ursache ist die individuelle innere Uhr. Frühtypen („Lerchen“) profitieren tendenziell eher vom Mittagsschlaf, während Spättypen („Eulen“) meist einen natürlichen Einbruch vor der Mittagszeit erleben. Wird nach dem Mittagessen dann ein Nap angesetzt, kann der Schlafdruck bereits so groß sein, dass ein Nap den gegenteiligen Effekt hat. Wer seinen biologischen Rhythmus ignoriert, riskiert eher Frust als Frische.
Die wichtigsten Voraussetzungen für funktionierende Powernaps
Damit der Schlaf-Quickie im Arbeitskontext tatsächlich etwas bringt, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen:
- Freiwilligkeit & Entspannung: Nur wer sich sicher und entspannt fühlt, kann kurz abschalten. Druck („Jetzt musst du schlafen!“) wirkt kontraproduktiv.
- Richtiger Zeitpunkt: Müdigkeit ist keine Uhrzeitfrage, sondern chronobiologisch gesteuert. Ein Nap „auf Kommando“ bringt wenig, wenn der Körper gar nicht müde ist.
- Passendes Umfeld: Lärm, Licht und ständiger Termindruck verhindern Erholung. Ohne ein ruhiges Setting (z. B. ein abgedunkelter Ruheraum) ist Powernapping größtenteils wirkungslos.
- Dauer: 10–15 Minuten sind ideal. Danach droht Tiefschlaf und der Kreislauf sackt ab.
Kleine Tricks wie der „Schlüsseltest“ helfen, die perfekte Dauer zu finden: Mit einem Schlüsselbund in der Hand kurz einnicken – fällt der Schlüssel, ist das das Signal, dass man gerade in die Tiefschlafphase gleiten würde.
Powernap, Chronotyp und Unternehmenskultur – was Coaches wissen müssen
Powernaps können ein sinnvolles Instrument der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGM) sein, wenn sie in ein ganzheitliches Schlafkonzept eingebettet sind.
Hier kommt die Chronobiologie ins Spiel: Wer den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus seiner Mitarbeitenden kennt, kann Pausen, Meetings und Arbeitszeiten sinnvoller planen. Ein Spättyp, der vormittags in seinen Leistungstiefs steckt, profitiert kaum von einer „verordneten“ Nap-Zeit direkt nach dem Mittagessen.
Unternehmen, die Schlaf wirklich als Ressource begreifen, sollten daher mehr tun, als nur Ruheräume einzurichten. Es braucht Aufklärung über innere Rhythmen, Lichtmanagement und Erholungskompetenz. Coaches und BGM-Verantwortliche können hier wertvolle Arbeit leisten, indem sie Mitarbeitende individuell begleiten und Führungskräfte sensibilisieren.
Kommunikation ist alles – vom Schlafmythos zur Schlafkultur
Ein weiterer Stolperstein ist die Unternehmenskultur. Noch immer gilt „früh da = fleißig, spät dran = faul“. Wer Powernaps macht, wird schnell als „Schlafmütze“ abgestempelt. Diese Narrative zu verändern, ist Teil moderner BGM-Arbeit.
Ein Beispiel: In einem deutschen Unternehmen wurde Mitarbeitenden erlaubt, im Rahmen der Gleitzeit auszuschlafen. Das Ergebnis: Ohne zusätzliche Kosten nutzten plötzlich viel mehr Beschäftigte die flexible Zeit, kamen ausgeruhter und produktiver zur Arbeit. Der Effekt entstand allein durch Kommunikation und Legitimation – die Akzeptanz wurde institutionalisiert.
Fazit – Powernapping braucht Struktur, Wissen und Akzeptanz
Powernaps können eine wertvolle Ressource im Arbeitsalltag sein – aber sie sind kein Selbstläufer. Ohne Wissen über Chronotypen, innere Uhren und Erholungsfenster bleibt das Konzept oberflächlich.
Unternehmen sollten Powernaps nicht als Trend, sondern als Teil einer strategischen Schlafkultur verstehen: freiwillig, individuell, wissenschaftlich begleitet.
👉 Wer tiefer in die Materie einsteigen will, kann sich zur ChronoCoach®-Ausbildung an der SleepMaster Academy informieren – dort lernen Coaches, wie Schlaf, Licht und Leistung sinnvoll zusammenspielen.
Quellen und weiterführende Links
- Projekt Aufstehen ohne Wecker: https://www.wieden.com/chronobiologie-news/projekt-aufstehen-ohne-wecker/
- Ausbildung & Seminare Chronobiologie und Chronotypen: https://shop.sleepmasteracademy.com/collections/chronobiologie-ausbildung-und-seminare

