40 Minuten mehr Schlaf – was eine Studie aus Genf wirklich zeigt
Eltern kennen das Spiel: Das Licht ist aus, die Tür geschlossen, und unter der Decke leuchtet heimlich das Handy.
Doch was passiert, wenn man abends tatsächlich ein Handyverbot einführt? Laut einer Untersuchung der Universität Genf schlafen Jugendliche, deren Eltern ein solches Verbot verhängen, im Durchschnitt 40 Minuten länger als Gleichaltrige ohne Regelung.
Die Forscher*innen befragten über 330 Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahren zu ihren Schlafgewohnheiten und Handyregeln.
Ergebnis: Weniger Smartphone-Zeit am Abend = mehr Schlaf, bessere Stimmung, höhere Konzentration.
Allerdings basiert die Studie auf Selbstauskünften, und wer als Teenager den eigenen Schlaf einschätzt, kann schon mal danebenliegen. Außerdem sagen 40 Minuten noch nichts über die Schlafqualität aus.
Warum „Handy weg“ allein nicht hilft
Eltern hoffen: Handy aus, Kind schläft. Doch so einfach funktioniert Biologie nicht.
Mit Beginn der Pubertät verschiebt sich der Chronotyp: Die innere Uhr von Jugendlichen läuft später.
Die Ausschüttung des „Schlafhormons“ Melatonin beginnt oft erst gegen 22 oder 23 Uhr, egal, wann das Handy aus ist.
Das heißt: Auch ohne Bildschirmlicht sind viele Jugendliche schlicht noch nicht müde, wenn sie „ins Bett geschickt“ werden.
Ein reines Handyverbot kann also zwar helfen, die Reizflut zu verringern, löst aber nicht das Problem des verspäteten Schlafdrucks.
Frage, die viele Eltern sich stellen:
Wie kann man die Schlafgewohnheiten von Teenagern verbessern, ohne in Machtkämpfe zu geraten?
Die Antwort liegt in der Kombination aus Medienkompetenz, Chronobiologie und Familienritualen.
Wenn das Handy zur nächtlichen Gefahr wird
Das Handyverbot hat noch eine zweite, oft übersehene Dimension: Schutz vor nächtlichen Inhalten. Autor Daniel Wolf („Allein mit dem Handy“) und Schulleiterin Silke Möller („Wir verlieren unsere Kinder“) beschreiben eindrücklich, was passiert, wenn Jugendliche nachts unbeaufsichtigt im Netz surfen: Sie konsumieren Inhalte, die sie emotional überfordern, und trauen sich anschließend nicht, mit Erwachsenen darüber zu sprechen.
Das führt zu Schlafstörungen, Angstzuständen und innerem Rückzug. Ein Handyverbot am Abend schützt also nicht nur den Schlaf, sondern auch die mentale Gesundheit. Dabei geht es nicht um Kontrolle, sondern um Begleitung. Eltern sollten erklären, warum es sinnvoll ist, das Handy abends abzulegen, und sich selbst daran halten.
Medienkompetenz als Familienprojekt
„Mach dein Handy aus!“, wirkt selten.
Besser funktioniert der Ansatz, den eine Mutter im Gespräch mit der SleepMaster Academy beschrieb:
Sie hat das Thema Social Media als Familienprojekt eingeführt.
Die ganze Familie überlegte gemeinsam:
- Welche Apps tun uns gut, welche eher nicht?
- Wann sind wir online, und wann offline?
- Wie wirkt sich das auf unseren Schlaf aus?
- Was tun wir gemeinsam, um den Schlaf zu verbessern?
So entsteht kein autoritäres Verbot, sondern ein gemeinsamer Lernprozess. Denn Erwachsene sind oft kein Stück besser: Auch Eltern checken ständig Mails oder scrollen gedankenlos durch Social Media. Ein glaubwürdiges Handyverbot für Kinder funktioniert nur, wenn auch Erwachsene ihr Verhalten reflektieren.
Praxis-Tipps für Eltern und Coaches
- Handys nachts aus dem Schlafzimmer verbannen
Nicht nur bei Kindern, auch bei Erwachsenen. Ladegeräte gehören in die Küche, nicht ans Bett. - Router programmieren
Viele Router erlauben Zeitprofile: WLAN kann z.B. für Kindergeräte automatisch um 22 Uhr deaktiviert werden. - Medienrituale schaffen
Ein gemeinsames Abendritual, z. B. Buch lesen, Musik hören, Tagebuch schreiben, erleichtert den Übergang in die Ruhephase. - Schulen sensibilisieren
Schlafmangel ist bei Jugendlichen ein strukturelles Problem. Spätere Schulanfangszeiten und Medienbildung im Unterricht sind langfristig effektiver als Strafen.
Fazit – Handyverbot allein reicht nicht
Das Handyverbot ist kein Allheilmittel. Es kann Schlaf verlängern, aber nur, wenn es verständnisvoll begleitet und vorbildlich vorgelebt wird. Digitale Verantwortung beginnt bei uns Erwachsenen. Wer sein Handy abends weglegt, schützt nicht nur den eigenen Schlaf, sondern vermittelt seinen Kindern das vielleicht wichtigste Lernziel überhaupt: Selbststeuerung.
Quellen:
Mammeri K, Riontino L, Schwartz S, Sterpenich V. Influence of parental rules about screen electronic device use in the evening on sleep in adolescents. Discov Public Health. 2025;22(1):517. doi: 10.1186/s12982-025-00923-w. Epub 2025 Sep 6. PMID: 40922948; PMCID: PMC12414006.
Weitere Links:
- Wolf, Daniel (2022): Allein mit dem Handy. München: Kösel.
- Möller, Silke (2021): Wir verlieren unsere Kinder. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag.
- SleepMaster Academy (2025): Chronobiologie und Medienverhalten in der Jugend.
