Diversity in Ihrem Unternehmen? Mehr Leistung, mehr Zufriedenheit, weniger Krankmeldungen – klingt nach der Wunschliste jedes Unternehmens. Und trotzdem wird einer der offensichtlichsten Hebel bis heute kaum genutzt: der Chronotyp.
Wir reden über Lerchen, Eulen und die große graue Zone dazwischen. Und nein, das ist keine Esoterik, das ist pure Chronobiologie – also die Wissenschaft von unserer inneren Uhr.
Jeder Mensch hat ein biologisches Zeitfenster, in dem er natürlich wach, konzentriert und leistungsfähig ist. Wer dagegen arbeitet, läuft im Dauer-Jetlag – und das merkt man nicht nur an der Laune, sondern auch an Fehlerquoten, Motivation und Krankentagen.
In vielen Firmen gelten trotzdem noch: Fixe Arbeitszeiten, ohne jegliche Rücksicht auf biologische und genetische Rhythmen. Wer da nicht fit ist, hat Pech gehabt.
Das ist ungefähr so sinnvoll, als würde man verlangen, dass alle Schuhe in Größe 39 tragen müssen – unabhängig davon, ob sie passen oder nicht.
Diversity pur, und sie bringt Geld in Unternehmen.
Chronotypen: Biologie statt Befindlichkeit

Der Chronotyp beschreibt, wann dein Körper von Natur aus auf Leistung programmiert ist.
Lerchen sind die, die morgens um sechs schon Bäume ausreißen, während Eulen da gerade erst anfangen, wieder menschlich zu werden. Und dazwischen gibt es viele Mischtypen – sogenannte „Tauben“. Diese Unterschiede sind genetisch mitbestimmt und ändern sich im Laufe des Lebens: Jugendliche werden automatisch zu Spättypen, Ältere wieder etwas früher aktiv.
Und genau diese Vielfalt ist in Unternehmen Gold wert – wenn man sie nutzt. Wer die innere Uhr seiner Mitarbeiter kennt, kann Arbeitszeiten, Meetings und Lernphasen so legen, dass die Menschen biologisch im Flow sind, statt ständig gegen sich selbst anzurennen.
Biologisches Timing statt Bonusprogramm
Firmen investieren Unsummen in Motivationstrainings, Yoga-Kurse oder Obstteller im Pausenraum. Alles schön und gut – aber wenn Mitarbeitende dauerhaft gegen ihre innere Uhr arbeiten müssen, dann bringt auch die reifste Banane nichts.
Wer nach Chronotypen plant, holt die Energie nicht aus Zucker, sondern aus Biologie. Das ist beileibe kein Wellness-Thema, sondern ein knallharter Business-Case.
Studien zeigen: Wenn Menschen im Einklang mit ihrem Chronotyp arbeiten dürfen, sinken Tagesmüdigkeit und Fehlerquoten, Lernprozesse laufen besser, die allgemeine Zufriedenheit steigt – und zwar messbar.
Wie Unternehmen Chronotyp – Diversity praktisch umsetzen können
Das Beste: Man muss keine ganze Organisation auf den Kopf stellen. Es reicht, an den richtigen Schrauben zu drehen.
Ein erster Schritt ist, überhaupt zu wissen, wer im Team Früh-, Normal- oder Spättyp ist. Dafür gibt es Fragebögen (z. B. den MCTQ-Munich Chronotype Questionnaire), oder den einen an der Charité entwickelten, frei käuflichen RNA-Chronotyp-Test der Fa. BodyClock. Mit diesen Daten lassen sich bereits viele kleine, aber wirksame Veränderungen einleiten:
Meetings zum Beispiel. Warum finden Brainstormings, Meetings oder Schulungen fast immer morgens um acht statt? Weil’s in den Kalender passt und es „logisch“ klingt.
Leider ist das genau die Zeit, in der Spättypen geistig noch in der Einflugschneise hängen. Wenn man solche Termine zwei Stunden nach hinten legt, kommt plötzlich Leben in die Bude – und die Ideen gleich mit.
Oder nehmen wir Lernzeiten: Auszubildende und Studierende sind biologisch fast alle Spättypen. Trotzdem starten betriebliche Schulungen oft um 8:00 Uhr. Wer stattdessen erst um 10:00 Uhr beginnt, steigert nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch den Lernerfolg – ohne einen Cent mehr auszugeben.
Auch im Schichtsystem funktioniert Chronotypisierung erstaunlich gut, wie z.B. das Projekt COPEP an der Klinik Wartenberg gezeigt hat. In Kliniken und Produktionsbetrieben hat sich gezeigt: Wenn man Mitarbeitende freiwillig nach ihrer inneren Uhr auf Früh- oder Spätschichten verteilt, sinkt das Krankheitsrisiko, die Motivation steigt und die Leistungsfähigkeit ebenso. Und nein, das ist nicht „unfair“, sondern fairer als bisher – denn endlich wird Biologie ernst genommen statt ignoriert.
Zwischenbilanz: Gesundheit, Leistung, Geld
In dem Pilotprojekt an der deutschen Klinik zeigte sich: Durch chronobiologische Maßnahmen verringerte sich die Tagesmüdigkeit um ganze 72 Prozent. Weniger Müdigkeit bedeutet: weniger Fehler, weniger Unfälle, weniger Krankheitstage und durch mehr Konzentration. Basierend auf Auswertungen von Studien, aber auch einfachen betrieblichen Hochrechnungen, ergibt das einen satten Einsparwert von rund 2.000 Euro pro Mitarbeiter und Jahr.
Wer ein Unternehmen mit 500 Menschen führt, kommt auf sage und schreibe 1. Mio. €/Jahr.
Aber es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Sinn. Wer Mitarbeitenden erlaubt, in ihren natürlichen Rhythmen zu leben, zeigt Wertschätzung. Das fördert Vertrauen, Loyalität und Leistungsfreude – drei Dinge, die sich mit keinem Bonusprogramm der Welt dauerhaft erkaufen lassen.
„Bei uns geht das nicht, weil …“ – Doch, geht.
Das häufigste Gegenargument lautet: „Wir können uns doch nicht nach jedem Chronotypen richten.“
Stimmt. Muss man auch nicht. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Präzision im Machbaren. Unternehmen, die Schritt für Schritt vorgehen – erst Meetings anpassen, dann Lernzeiten, später Schichten – erzielen oft schon nach wenigen Wochen spürbare Verbesserungen.
Und das Wichtigste: Freiwilligkeit. Niemand sollte gezwungen werden, seine Routine zu ändern. Aber wer einmal erlebt, wie viel besser sich Arbeit anfühlen kann, wenn sie zur inneren Uhr passt, will meist nie wieder zurück.
Fazit: Produktivität beginnt im Kopf – da sitzt die innere Uhr
Die Zukunft der Personalentwicklung ist individuell, nicht, weil das schick klingt, sondern weil es funktioniert. Wer Chronotypen in seine Diversity- und Personalstrategie integriert, senkt Stress, steigert Motivation und schafft eine Kultur, die wirklich menschzentriert ist.
Und das Schönste: Es bedarf keiner Investitionen in Devices, IT-Strukturen oder sonstiger Technik, sondern nur in Wissen.
Oder wie Michael Wieden es so schön sagt:
„Es geht nicht darum, was nicht geht – sondern darum, was möglich ist. Und das ist meistens viel mehr, als man denkt.“
Weiterführende Links
- Projekte COPEP
- Studie zu Kosteneinsparung im Unternehmen:
Rosekind MR, Gregory KB, Mallis MM, Brandt SL, Seal B, Lerner D. The cost of poor sleep: workplace productivity loss and associated costs. J Occup Environ Med. 2010 Jan;52(1):91-8. doi: 10.1097/JOM.0b013e3181c78c30. PMID: 20042880. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20042880/
